Wem gehört das Zentrum?
st das geplante "Flussbad" im Herzen der Hauptstadt der Beginn einer neuen Stadtkultur - oder ein Ärgernis? Über den neuen Streit um Deutungshoheit.
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 28.03.2021 von Niklas Maak
Die Städte werden immer heißer. Sommertemperaturen um die 40 Grad sind an vielen Orten keine Seltenheit mehr. Experten fordern, um die innerstädtischen Temperaturen zu senken, massive Begrünung für mehr Schatten, mehr Wasserflächen, Brunnen und Kanäle. Bis die gegraben sind, bleibt der Bevölkerung in den kommenden Hitzewellen aber nur der Gang in die vorhandenen Gewässer: in Seen, Freibäder und Flüsse - wobei die meist zu schmutzig sind: In Paris, wo schon zu Zeiten Ludwigs XV. ein Flussbad in der Seine entstand, und auch in Berlin wurde das Baden im Fluss wegen der miserablen Wasserqualität schon um 1925 offiziell verboten.
Hundert Jahre später soll sich das wieder ändern. Die Berliner Stadtregierung hat beschlossen, ein Pilotprojekt zu realisieren, das 1998 von den Künstlern und Architekten Jan und Tim Edler erfunden wurde: Unterhalb der Museumsinsel, direkt vor dem neuen Schloss, soll in dem knapp zwei Kilometer langen Spreekanal eine öffentliche Badeanstalt entstehen. Damit man dort wieder schwimmen kann, wollen die Planer das Flusswasser durch eine wasserfilternde Biotoplandschaft leiten. In den Animationen sieht man eisklares, türkisgrünes Wasser. Zwischen den Kanalwänden sollen künstliche Inseln angelegt werden, Sandbänke aus Beton, auf die sich die Schwimmenden zum Ausruhen zurückziehen und notfalls retten können. Das Bad soll, wie jedes gute Freibad, ein sommerlicher Ort für alle werden: für die Studierenden der nahen Humboldt-Universität, für die Einwohner der Hochhäuser auf der Fischerinsel und für die Touristen, die sich in der bratenden Sonne vom Reichstag bis hierher geschleppt haben.
Politiker glooben an Märchen ...
Kasupke sagt ...wie es ist
Berliner Morgenpost vom 22.03.2021
Politika glooben jerne ma an Märchen. Wenn Se sich an eena fixen Idee so richtich berauscht haben, blenden se die Realität in Perfektion aus. Een Paradebeispiel dafür is det am Spreekanal jeplante Flussbad. Rot-Rot-Jrün hält beharrlich an dem Projekt fest, obwohl imma mehr schlaue Leute, die sich die Pläne ma jenau anjekiekt haben, strikt dajejen sind.
Flussbad Berlin - “Unverantwortlich, unsozial und elitär“
Mit scharfer Kritik wendet sich jetzt auch der Berliner Dom gegen das geplante Flussbad in Berlins historischer Mitte.
Berliner Morgenpost vom 19.03.2021 von Isabel Jürgens
Die erste Euphorie ist längst verfolgen. Gegen das Projekt Flussbad mitten im historischen Zentrum von Berlin, seit 2014 bereits mit mehreren Millionen aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert, wächst der Widerstand. Mit einem offenen Brief hat sich jetzt auch noch der Berliner Dom für eine schleunige Einstellung des Projekts ausgesprochen.
In dem Brief, der der Berliner Morgenpost vorliegt, heißt es zur beabsichtigten Planung eines Freibades im Spreekanal: „Wir schließen uns in der negativen Bewertung des Gesamtvorhabens den schriftlich und mündlich geäußerten Meinungen dem Landesdenkmalamt Berlin , dem Landesdenkmalrat Berlin , der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Museen, der Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin , dem amtierenden Landesarchäologen des Landes Berlin , der Monitoring-Gruppe des Icomos Deutschland sowie der Baukammer Berlin an“.
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Kostspieliges Vergnügen
Ingenieur Steeg: Flussbad in Mitte kostet 200 Millionen Euro. Politik hält daran fest
Berliner Morgenpost vom 19.02.2021 - von Julian Würzer
Das Abgeordnetenhaus will trotz heftiger Kritik am geplanten Flussbad in Berlin festhalten. Darauf verständigten sich die Politiker am Donnerstag im Verkehrsausschuss . „Es ist ein attraktives Projekt, das wir nach Kräften unterstützen und realisieren wollen“, sagte Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
Seit vielen Jahren gibt es Überlegungen, wie Berlinerinnen und Berliner im Spreekanal zwischen dem Humboldt Forum und der Museumsinsel in Mitte baden können. Im November 2017 forderte das Abgeordnetenhaus den Senat auf, die Realisierung des Flussbads zu unterstützen.
Maßgeblich vorangetrieben hat das Flussbad Tim Edler, Autor des Projekts und Gründungsmitglied des gleichnamigen Vereins. Er sagte am Donnerstag, dass derzeit die Bedingungen für ein geregeltes Planungsverfahren vorbereitet würden. Allerdings gebe es noch viele Hürden für eine Realisierung, da zum Beispiel in Berlin das Baden in einem Kanal verboten sei, weil man aus Sicherheitsgründen nicht 100 Meter vor und hinter Brücken schwimmen darf.