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Zustand des Spreekanalwassers

Von Dr. rer.nat. Heide Ellerbrock

In Berlin befinden sich innerstädtische Flüsse und Kanäle im Bereich der Mischkanalisation.
„Mit der Klimaveränderung und häufiger auftretenden, lokalen Starkregenereignissen ist sie (Anm.d.Verf.: Mischkanalisation) jedoch überlastet und sorgt regelmäßig für enorme Verschmutzung der Spree.“ Abwässer geraten über 26 Notauslässe ungeklärt in die Spree, davon zehn direkt in den Spreekanal.

Überläufe im Projektgebiet  - Jährliche Durchschnittseinleitungsmengen ungeklärter Abwässer

zulaeufe

 

Ursachen für den Zustand

A: Mischkanalisationsüberläufe
Die Kanalisation nimmt ungereinigtes Regen- und Schmutzwasser auf, d.h. aus Gewerbe, Industrie, Krankenhäusern, Altenheimen, Haushalten, Kleingartenanlagen - jeweils mit Fäkalien vermengt-, aber auch mit Medikamentenrückständen, Hormonen, Antibiotika, diversen Krankheitserregern mit ihren Antibiotikaresistenzen. Der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe bestätigte am 1.4.20 auf rbb Nachfrage in der Panoramasendung , dass Abwässer aus dem Gesundheitswesen bundesweit nicht vorgereinigt werden müssen. Zwischen 2007 – 2017 schwankte die Anzahl der Überläufe zwischen 33 und 60 Tage/ Jahr, die Wassermengen lagen zwischen 2,1 – 7,5 Mio. m3 / Jahr.

B: Regenabschwemmungen
„In Berlin werden 78% ... von insgesamt 69 Mio.m3 Regenwasserabfluss direkt in die Gewässer geleitet, davon 5,5 Mio.m3 über Mischwasserüberläufe.“
Auch Regen trägt durch Straßenabschwemmungen erheblich zur Verunreinigung des Kanalwassers bei. Regenwasser enthält keim- und parasitenbelastete Ausscheidungen von Hunden, Tauben, Wasservögeln, Ratten, allgemeine Verunreinigungen durch Zigarettenkippen, Reifenabrieb und eine Reihe von Spurenstoffen. Studien haben verdeutlicht, dass Spurenstoffe ökotoxikologische Wirkung haben und „ ...dass eine Mischung vieler Spurenstoffe in Konzentrationen unterhalb ihrer separaten Toxizitätsschwellen zusammen eine ökotoxische Wirkung (...) ausüben können (...)“ Sie nehmen möglicherweise Einfluss auf die Lebensbedingungen der Mikroorganismen und Makrozoobenthos in den geplanten Spreekanalfiltern. Auf diese Problematik wird in weiteren Beiträgen noch eingegangen.

C: Fehlanschlüsse/ Schadstoffe auf der Kanalsohle
Gesundheitsschädliche Wässer geraten ebenso über sogenannte Fehlanschlüsse, d.h. über diffuse Einträge in den Spreekanal. Innerstädtisch bedeutet das auch, dass viele Böden durch sogenannte Altlasten Schadstoffe in die Gewässer abgeben. Die Sohle des Spreekanals ist nach dem Krieg nie von Restbeständen, Schwermetallrückständen usw. befreit worden, die einer Badenutzung entgegenstehen.

D: Klärwerksabläufe
Die gereinigten Abwässer des Klärwerks Münchehofe, ca. 40.400 m3/ Tag, werden über den Nebenfluss, die Erpe, in die Spree abgeleitet [3], S.2 und finden sich zeitverzögert durch fehlende Verdünnung auch im Spreekanal. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit wurden im Abwasser dieses Klärwerks Pflanzenschutzmittel, Medikamente, Tierarzneien und andere Chemikalien detektiert. Diese Inhaltsstoffe sind ebenfalls in den meisten Abflüssen anderen Klärwerke vorhanden, lassen sich nur schwer eliminieren und können auf Pflanzen und Tiere toxisch wirken.

E: Wasserverluste
2019 fanden in der Badesaison nur neun Überläufe in den Spreekanal statt. Grund war die Trockenheit. Für den Spreekanal erschwerend kam der geringe Wasserdurchfluss und die hohe Verdunstungsrate durch Hitze dazu. Beides verhinderte eine Verdünnung der Schadstoffe im Kanalwasser. Wichtige Zuflüsse für die Spree und den Spreekanal sind normalerweise die Müggelspree (Allendebrücke), die Dahme (Schmöckwitz), Wuhle und Erpe. Das Wasserportal Berlin zeigt jedoch in der Badesaison 2019 beim Durchfluss „sehr niedrige“ oder „niedrige“ Werte an.

Ausschnitt aus der Tabelle.

 Stationsnummer  Stationsname  Gewässer  Betreiber  Datum 2019  Durchfluss in m3/s Klassifkation
 5865300 Am Bahndamm Wuhle Land Berlin 09.08. 0,070

Sehr niedrig

 5827103 Allende Straße Müggelspree Land Berlin 10.08.  -1,180 Sehr niedrig
 5862811 Schmöckwitz US Zeutener See, Dahme Land Berlin 10.08. 1,91

niedrig

5864800 Wuhletal Wuhle Land Berlin 10.08. 0,013 niedrig

Der Durchfluss bei der Allendestraße lag über mehrere Monate im negativen Bereich. Folge für den Spreekanal: Kaum Wasserzufluss, dadurch keine Verdünnung der gelösten Bestandteile, durch Verdunstung Wasserverlust, dadurch Gefahr der Aufkonzentration der Schadstoffe.

 

Folgen für den Spreekanal

An dieser Stelle werden nur einige der maßgebenden Folgen benannt.

A: Erhöhung der Leitfähigkeit
Die Konzentrationszunahme nicht verdampfbarer Stoffe im Wasser lässt sich exemplarisch an der Zunahme der Leitfähigkeit zwischen Juni und Oktober 2019 an der Mühlendammschleuse demonstrieren. Die Leitfähigkeit resultiert aus dem Vorhandensein von Ionen aus nicht abbaubaren Spuren-, Nährstoffen, d.h. auch aus ökotoxikologisch wirksamen, sogenannten prioritären Stoffen. Sie können sich negativ auf Flora und Fauna im Wasser und in der Filteranlage auswirken.

Wasserportal Berlin

Leitfähigkeit

leitfaehigkeit

B: Anreichung der Nährstoffe
Die Leitfähigkeit resultiert u.a. aus dem hohen Anteil an Nährstoffen in der Spree und ihren Kanälen. Die Einträge erfolgen über Niederschlags- und Abwassereinleitungen, aus diffusen Quellen, landwirtschaftlicher Nutzung usw. Die hohe Sulfatbelastung hat ihren Ursprung im Bergbau der Lausitz. Zu den Nährstoffen gehören Stickstoff- und Phosphorverbindungen. Bei hoher Konzentration bewirken sie ein übermäßiges Wachstum von Algen, Wasserlinsen, Cyanobakterien, wie es im Spreekanal in den Sommermonaten der letzten Jahre zu beobachten war (Eutrophierung).
Die über drei Monate in der Badesaison 2018/19 vorhandenen Algenteppiche im Kanal hätten zur Schließung eines jeden Bades geführt. Algenblüten beeinträchtigen negativ die Lebensbedingungen von Klein-, Kleinstlebewesen und Pflanzen.

C: Stehendes Gewässer
Der Spreekanal wurde damit in den Jahren 2018-2020 häufig zu einem stehenden oder
rückwärts fließenden Gewässer. Der Tatbestand muss bei der Bewertung der Wasserqualität ins Kalkül gezogen werden. EU-Badegewässerrichtlinien, nach denen der Verein Flussbad bisher die Wasserqualität des Spreekanals bewertet hat, setzen ein bereits bestehendes, über vier Jahre begutachtetes Badegewässer voraus, was der Spreekanal zu dieser Zeit nicht ist. Weiterführende Betrachtungen folgen.

D: Mangel an Sauerstoff
In den Jahren 2018/2019 sank mehrmals der Sauerstoffgehalt der Spree und wohl in der Folge auch im Spreekanal. Für Fische und andere Wassertiere kann ein Sauerstoffgehalt unter 4mg/l kritisch werden. Auf dem Berliner Umweltportal steht 2020 : „Im Sommer können Probleme bezüglich der Sauerstoffverhältnisse in den Berliner Gewässern auftreten. Die warme Witterung, geringe Abflüsse und plötzlich einsetzende Starkniederschläge können zu einem rapiden Absinken des gelösten Sauerstoffs in den Gewässern führen. In der Folge kann es zu einem Fischsterben kommen.“ Diese Aussage ist bedeutungsvoll für alle Kleinstlebewesen im geplanten Pflanzen-Kies-Filter, die den Reinigungsprozess entscheidend mitbestimmen sollen. Der bis Ende 2019 eingesetzte sogenannte Muschelreaktor musste als einer der wesentlichen Filterbestandteile eliminiert werden. Die darin lebenden Dreikantmuscheln, fanden wohl noch in der Spree ihr Habitat, nicht aber mehr im Spreekanal. Die Lebensbedingungen waren dort unzureichend. Die Muscheln haben sich nicht mehr in ausreichendem Maße vermehren können. Der Muschelreaktor wurde wegen Unwirksamkeit abgebaut.
Inwieweit sich der Sauerstoffmangel auch auf die Kleinstlebewesen im Versuchsfilter ausgewirkt hat, wurde nicht erfasst.

Fazit:
Was bleibt vor Schaffung eines Flussbades unbeantwortet: Der derzeitige Zustand des Spreekanals ergibt sich aus den Ursachen der Verschmutzung und den Folgen daraus. Offen bleibt, wie wirken sich die Fakten auf das Gewässer aus, nach welchen Maßstäben wird die Wasserqualität bewertet? Welche Gefahren ergeben sich, wenn das Gewässer vorab als Badegewässer freigegeben werden soll? Wie betrachten die Entscheidungsträger in den Behörden das Projekt und wie werten es die Anlieger?
Welche Anstrengungen hat der Verein Flussbad bisher unternommen? Was sagen die Endberichte über die Filterleistung der Anlage aus, wo steht der Verein jetzt mit seiner Bemühung? Kann er die umfangreichen Aufgaben allein lösen oder muss nicht erst das Land Berlin Voraussetzungen schaffen, sinnvolle Maßnahmen ergreifen, damit überhaupt innerstädtische Flussbäder möglich werden?

 

 Anmerkungen:

  1. www.flussbad-berlin.de/-/wasserreinigungs-stor S.1
  2. dito, S.4
  3. Warum Coronaviren nicht ins Leitungswasser gelangen /rbb24/Panoramasendung
  4. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Entsorgung von Regen- und Abwasser (Ausgabe 2018)
  5. Kompetenzzentrum Wasser, Berlin, Abschlussbericht: Relevanz organischer Spurenstoffe im Regenwasserabfluss Berlins. Berlin 2017, S.1
  6. dito, S. 1
  7. Märkisches Medienhaus, Klaus Manthe: Was alles in der Erpe schwimmt, 26.Jan. 2017
  8. Quelle: Wasserportal.berlin.de, Gewässerkundliche Messdaten, Messwerte, Durchfluss Tabelle
  9. dito: Gewässerkundliche Messdaten, Stationen, Wasserqualitätsstationen: MS Mühlendammschleuse, Leitfähigkeit
  10. Quelle: Fischsterben in Berliner Gewässern – Berlin.de

 

Weiterführende Dokumente

  1. Pruefung und Bewertung des Schlussberichtes von 02.12.2020 [PDF, 293 KB]
  2. Betriebsberichte 2019 vom AKUT Umweltschutz Ingenieure [PDF, 6,7 MB]
  3. Zusammenfassung und Bewertung mit dem Focus auf Wasserfiltration und -qualität [PDF, 527 KB]