kanalgrabenKommentar von Heiko Mehnert vom 25.05.2021

Ich stelle mir vor, nein, ich kann es mir nicht vorstellen – eine Menschenmenge, kreischend, in den „Fluten“ an der Museumsinsel. Ja, es bleibt unvorstellbar, eine Badeanstalt (nur so kann man sie an dieser Stelle nennen) zwischen den Mauern der Spree, nahe dem Dom. Was da, für Millionen geplant, auf und an der Spree stattfinden soll, scheint ein Aprilscherz zu sein. Wer kommt auf die Idee, an einer der historisch wertvollsten Stelle in Berlins Mitte ein Swimming-Pool stattfinden zu lassen. Das ist nicht disruptiv modern, sondern nur gaga. Es soll Flussbad heißen und nein, damit ist kein landschaftlich wundervoll gelegenes Bad in den Spreeauen gemeint, sondern ein von hohen Kanalmauern begrenztes „Badeareal“ zwischen Bode-Museum und Humboldt Forum. Die erste Reaktion muss die nach oben zuckende Augenbraue sein. Aber machen wir weiter mit einer grenzlosen Vorstellungskraft.

Es beginnt bei der schier unmöglichen Tour de Force, dass bei Starkregen entstehenden Abwasser für die Badenden zu klären. Es geht einfach nicht und wenn man es erzwingen will, dann bedeutet es, dass im Sommer bei klassischen Gewitterschauern – also mittlerweile Starkregen, im wahrsten Sinne des Wortes – Badestopp, sofort und gleich für mehrere Tage, bis die Kloake sich wieder geklärt hat. Wer will das? Wer braucht das?

Nun duftet die Innenstadt nicht immer wie Rosenwasser, aber ein natürliches Klärbecken (das wäre am Humboldt Forum), welches sich abmüht, urbane Stoffwechsel-Resultate verschwinden zu lassen, wird es in der touristischen Bewertung im Hochsommer schwer haben. Es kann nur eine Neu-Interpretation der berühmten „Berliner Luft“ an dieser Stelle herauskommen. Die Kommentare auf den einschlägigen Bewertungsportalen für Städtetrips werden ein Übriges tun – letztendlich in der Summe der aktuellen Berliner Stadtplanungen eine weitere Lachnummer, wenn sie nicht so übel riechen würde, denn damit muss gerechnet werden, wenn man die entsprechenden Gutachten gelesen hat.

Kommen wir noch einmal auf die Planung zurück. Nein, es war nicht rhetorisch übertreiben – Millionen sind schon in ein Verein geflossen, der sich dieses Kuriosum ausgedacht hat, bzw. sich für die Realisierung des, wie ein mit Wasser gefülltes Trockendock aussehendes Freibad, stark macht.

Aber ich versuche es trotzdem, mir das Schwimmen in diesem durch meterhohe Mauern umrandeten Bottich vorzustellen. Ein Schwimmvergnügen kann nicht aufkommen, man kennt es von „alten“ Schwimmbädern, die kein Ablauf auf Wasserniveau besitzen, die „abprallenden“ Wellen kommen zurück und verursachen einen entsprechenden Seegang, je mehr Menschen sich im Becken befinden. Mund-zu wird die Devise sein. Ebenso verhält es sich mit dem Geräuschpegel, der ungebremst von den Steinmauern zurückprallt. Das kann schier unerträglich laut werden, wenn Bernte nach seiner Elli schreit und die Durchsage erschallt, Mann und Frau sollen sofort das Wasser verlassen, es gewittert. Wir sehen uns dann nächste Woche wieder, aber erst dann, wenn die Wasserqualitäts-Ampel in der Tageszeitung auf Grün zeigt. Unvorstellbar.

Wir freuen uns auf den Moment der Vernunft, wenn das geplante Unterfangen ganz einfach abgeblasen wird, damit Berlin nicht wieder baden geht. Nicht in seiner historischen Mitte.