Das Flussbad und das Welterbe: Warum wir an der Kunst nicht einfach vorbeikraulen können
Der Tagesspiegel vom 11.07.15 - Von Hermann Parzinger

„Nichts wird uns aufhalten. Alles ist möglich. Berlin ist frei.“Diese Sätze, die der amerikanische Präsident Bill Clinton einst am Brandenburger Tor auf Deutsch sprach und die auf ei­ne neue Rolle des vereinten Deutschlands in der Welt ge­münzt wa­ren, wer­den gern für regionales Marketing in An­spruch ge­nom­men. Es lässt sich da­mit so schön das neue Ber­lin be­schrei­ben, wo jeder tun und lassen kann, was er will, so­lan­ge es ihm nicht an möglichen und unmöglichen Ideen für ein Pro­jekt mangelt. Anything goes.

Das Un­mög­li­che zu den­ken und wi­der­spruchs­los ins Werk zu set­zen, be­trifft nun auch die Ber­li­ner Mit­te. Ein Fluss­bad soll zwi­schen Hum­boldt-Fo­rum und Bo­de-Mu­se­um ent­ste­hen, weil die Stadt dort ja nur reich und ster­bens­lang­wei­lig ist.

Das künst­le­risch den­ken­de Ar­chi­tek­tur­bü­ro Rea­li­ties Uni­ted ar­gu­men­tiert zu­nächst mit Vo­ka­beln der Öko­lo­gie. Ger­ei­nigt wer­den soll das Spree­was­ser durch ei­nen be­pflanz­ten Kies­fil­ter. Im obers­ten Ab­schnitt des bis­he­ri­gen Ka­nals soll ein Bio­top, ei­ne neue in­ner­städ­ti­sche Par­k­land­schaft ent­ste­hen. Ei­gent­lich ei­ne pri­ma Idee. Al­ler­or­ten bran­det Ju­bel auf und auch mil­lio­nen­schwe­re För­der­zu­sa­gen las­sen nicht lan­ge auf sich war­ten.

Das Un­mög­li­che zu den­ken und wi­der­spruchs­los ins Werk zu set­zen, be­trifft nun auch die Ber­li­ner Mit­te. Ein Fluss­bad soll zwi­schen Hum­boldt-Fo­rum und Bo­de-Mu­se­um ent­ste­hen, weil die Stadt dort ja nur reich und ster­bens­lang­wei­lig ist. Das künst­le­risch den­ken­de Ar­chi­tek­tur­bü­ro Rea­li­ties Uni­ted ar­gu­men­tiert zu­nächst mit Vo­ka­beln der Öko­lo­gie. Ger­ei­nigt wer­den soll das Spree­was­ser durch ei­nen be­pflanz­ten Kies­fil­ter. Im obers­ten Ab­schnitt des bis­he­ri­gen Ka­nals soll ein Bio­top, ei­ne neue in­ner­städ­ti­sche Par­k­land­schaft ent­ste­hen. Ei­gent­lich ei­ne pri­ma Idee. Al­ler­or­ten bran­det Ju­bel auf und auch mil­lio­nen­schwe­re För­der­zu­sa­gen las­sen nicht lan­ge auf sich war­ten.

Doch die Sa­che hat ei­ni­ge ge­wal­ti­ge Ha­ken. Sich als Par­ty­schreck zu ou­ten ist in Ber­lin ja im­mer hei­kel. Aber ich will doch deut­lich ma­chen, war­um sich die Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz mit ih­ren Staat­li­chen Mu­se­en zu Ber­lin nicht ein­fach in die Schar der Bei­fall­spen­der ein­rei­hen kann. Das be­ginnt schon da­mit, dass Be­für­wor­ter bei „Fluss­bad Talks“in ei­nem stadt­so­zio­lo­gi­schen oder eher stadt­ideo­lo­gi­schen Be­gleit­kom­men­tar ein Zerr­bild der Mu­se­ums­in­sel ent­wer­fen, das ein­fach fas­sungs­los macht.

We­der brau­chen wir ei­ne Neu­in­sze­nie­rung der un­wirt­li­chen In­sel, weil ak­tu­el­le Bau­plä­ne die Ber­li­ner ver­meint­lich ent­mün­di­gen, noch ist das Hum­boldt-Fo­rum rein tou­ris­tisch ge­dacht. Und Lust­gar­ten und Mon­bi­jou­park sol­len an­geb­lich nur den Rei­chen und Schö­nen ge­hö­ren. Schau­en Sie doch mal vor­bei, und Sie wer­den sich wun­dern über all die jun­gen Men­schen aus al­ler Welt, die dort lie­gen, plau­dern, es­sen und trin­ken, Mu­sik hö­ren und Fris­bee-Schei­ben wer­fen; reich sind die al­ler­meis­ten ganz ge­wiss nicht.

Na­tür­lich müs­sen sich die Mu­se­en (nicht nur die auf der In­sel) im­mer wie­der aufs Neue auf­ma­chen, um die Be­woh­ner der Stadt stär­ker mit ih­ren Samm­lun­gen zu­sam­men­zu­brin­gen. Wir wis­sen, dass wir un­se­ren Bil­dungs­auf­trag dann am bes­ten er­fül­len, wenn wir auch emo­tio­nal be­geis­tern und sich die Men­schen mit den Häu­sern iden­ti­fi­zie­ren. Da­zu brau­chen wir aber kei­ne Ba­de­an­stalt.

Ge­schickt ver­brei­ten die Ver­fech­ter der Fluss­bad-Idee ge­stell­te Bil­der, auf de­nen drei ver­lo­ren wir­ken­de Men­schen wie auf ei­nem Wat­teau-Bild in der Abend­son­ne ge­mäch­lich ins Nass des Kup­fer­gra­bens hin­ab­stei­gen. Lei­der geht das kom­plett an der Rea­li­tät vor­bei. Hier wer­den Hun­der­te nicht nur ba­den, son­dern fei­ern wol­len. Ich emp­feh­le ei­nen Be­such am Schlach­ten­see oder in den Frei­bä­dern von Neu­kölln, Kreuz­berg oder Pan­kow, dort ist die Si­tua­ti­on längst ge­kippt. Un­men­gen von Müll, Po­li­zei, An­woh­ner­kla­gen, Dau­er­par­ty, gu­te Nacht Mu­se­ums­in­sel! Wel­cher Platz könn­te zu­dem für Ba­de­gäs­te un­ge­eig­ne­ter und le­bens­ge­fähr­li­cher sein, als ein von glat­ten, me­ter­ho­hen Ufer­mau­ern ein­ge­fass­ter Fluss­arm? Es wirkt wie ei­ne Re­al­sa­ti­re, wenn Mil­lio­nen in den Kup­fer­gra­ben ge­wor­fen wer- den sol­len, wäh­rend in den Be­zir­ken die Bä­der ver­fal­len, so­gar die his­to­ri­schen aus dem 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­dert.

Als be­langslos und klein­ka­riert wer­den erns­te denk­mal­pfle­ge­ri­sche Be­den­ken ab­ge­tan. Die von Schin­kel er­rich­te­te öst­li­che Ufer­mau­er des Kup­fer­gra­bens zwi­schen Schloss­brü­cke und Ei­ser­ner Brü­cke soll ein­ge­ris­sen wer­den. Das ist nicht nur ein tie­fer Ein­griff in die Sub­stanz des Lust­gar­tens, son­dern da­bei wird auch ein Bo­den- und Gar­ten­denk­mal zer­stört. Die his­to­risch be­deut­sa­me An­sicht der Mu­se­ums­in­sel, wie sie Schin­kel in sei­ner Ent­wurfs­skiz­ze des Al­ten Mu­se­ums ver­ewigt hat, wä­re rui­niert. Ist das mit dem Wel­ter­be-Sta­tus des Ge­samt­en­sem­bles ver­ein­bar, wol­len wir hier tat­säch­lich auf der Ro­ten Lis­te der Unesco lan­den?

Ich hö­re jetzt schon die Kom­men­ta­re, die Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz hät­te doch nur Angst vor nack­ter Haut und le­be mal wie­der hin­ter dem Mond der Mög­lich­kei­ten. Doch wenn ei­ne Be­le­bung der Mit­te Ber­lins an­geb­lich nur dann er­reicht wer­den kann, wenn wir an den Mu­se­en vor­beikrau­len kön­nen, dann hät­ten wir al­le et­was falsch ge­macht. Der Auf­trag der Mu­se­en ist es, da­für zu sor­gen, dass die Men­schen in der Kunst ba­den wol­len. — Her­mann Par­zin­ger ist Prä­si­dent der Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz.

Der Tagesspiegel im Internet: www.tagesspiegel.de