Einheitsdenkmal verliere so seine Wirkung, sagt Architekt
Berliner Morgenpost vom 25.06.2021 von Julian Würzer

Die Pläne einer großen Freitreppe unmittelbar neben dem im Bau befindlichen Einheits- und Freiheitsdenkmal am Humboldt Forum sorgen erneut für Ärger. Der Konflikt könnte nun sogar in einem Rechtsstreit enden. „Wir erwägen eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung“, sagte Johannes Milla vom Architektenbüro Milla & Partner und Erfinder des Denkmals am Donnerstag bei einem Vor-Ort-Termin. Dabei erhält er prominente Unterstützung.

„Es tut weh. Als wir den Wettbewerb für den Bau des Denkmals gewonnen haben, gab es noch keine Treppe“, so Milla. Das war im Jahr 2011. Acht Jahre später, Ende 2019, beschloss der Berliner Senat den Bau der Freitreppe an der Schlossfreiheit. Sie soll den Spreekanal an der Museumsinsel und das ebenfalls geplante Flussbad zugänglich machen. Mehr als sechs Millionen Euro stellen Bund und Land dafür zur Verfügung, der Bau soll bis 2023 abgeschlossen sein. Realisiert man die wohl teuersten Stufen Berlins tatsächlich – bislang liegt noch keine Baugenehmigung vor – befürchtet Milla, dass der Anblick des Vorplatzes am Humboldt Forum künftig von der Treppe dominiert werde und nicht von dem Denkmal an die deutsche Freiheits- und Einheitsgeschichte, das Bürger ehrt, die 1989 gegen die SED-Diktatur protestierten.

Doch das ist nicht der einzige Makel. Eine Voraussetzung für den Erhalt von Fördergeldern zum Bau der Treppe ist die Gestaltung der Barrierefreiheit. Einen entsprechenden Beschluss machte das Bundesministerium des Innern, das von Horst Seehofer (CSU) verantwortet wird. D eshalb soll in einem Meter Abstand, direkt neben dem Einheitsdenkmal, genau hinter einem der Aufgänge, ein Aufzugsturm gebaut werden. Vor das Denkmal sollen dann noch über 60 Fahrradständer platziert werden und auch noch acht Bäume werden gepflanzt. „Das beeinträchtigt die Zugänglichkeit sowie die Wirkung des Denkmals“, sagte Milla. „Es wird kaum ein Bild ohne malerische Fahrradständer geben.“
Die Freitreppe und auch das mögliche Flussbad stoßen auch bei den Initiatoren des Berliner Freiheits- und Einheitsdenkmals und DDR-Bürgerrechtlern auf Widerstand. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wirft den Planern vor, die Bedeutung der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung gar zu vergessen. „Wir wehren uns gegen die bauliche Verachtung des wichtigen Denkmals.“ Um das doch noch abzuwenden, fordert Thierse das Geld für die Baumaßnahmen der Treppe solange zu stoppen, bis eine Einigung erzielt wird. Im besten Fall sollen die Bauten , die jenes Denkmal beeinträchtigen, ganz gestoppt werden.

„Wir fordern ein Moratorium und damit eine Offenlegung des Planungsstandes und eine Diskussion über Alternativen mit allen Experten.“ Thierse sagt, er verstehe den Wunsch, die Spree innerhalb der Stadt wieder wichtiger zu machen. „Aber ich akzeptiere nicht, dass eines der kostbarsten Areale der Stadt durch unumkehrbare Bautätigkeiten auf Dauer beschädigt wird.“

Zusammen mit weiteren Initiatoren, darunter DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke (CDU), der Autor und Regisseur Günter Jeschonnek sowie dem früheren Präsident des Bundesbauamtes Florian Mausbach haben sie dem Regierenden Bürgermeister von Berlin vorgeschlagen, die Freitreppe zu stoppen und dafür den zuvor vom Flussbad e.V. geplanten Standort weiter in Richtung Süden zu verlegen – auf Höhe des Gartens der internationalen Hochschule ESMT.
E rst vor wenigen Wochen hatten die Initiatoren einen offenen Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geschrieben. Bislang gibt es allerdings keine Reaktion . „Ich frage mich schon, warum mein eigener Minister keine Verantwortung übernimmt und sich darum kümmert“, sagt CDU-Politiker Nooke.

Die CDU-Bundestagsabgeordneten Elisabeth Charlotte Motschmann und Johannes Selle stellten klar, dass ihre Partei nicht nur die Treppe, sondern auch ein „Spaßbad“ an der Stelle der Erinnerung an eine friedliche Revolution ablehnen. Mit dem Freibad werden tausende Menschen kommen, so Selle. Es werde keine Aufsicht und keine Beschränkungen geben. „Die Folgen kann man beispielsweise in den Parks hinter dem Dom sehen“, sagt er. Dort bleibt vor allem nach schönen Tagen Müll und Dreck liegen. Auch die Kosten von 77 Millionen Euro sehen die CDU-Politiker kritisch. „ Berlin hat andere Probleme als so viel Geld für ein Bad auszugeben“, so Motschmann.
Der Grünen-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus von Berlin , Georg Kössler sagt auf Nachfrage, dass derzeit die Kosten für das Flussbad berechnet werden. Die Aufstellung soll bis zur Vorstellung der nächsten Haushaltsverhandlungen vorliegen. Dann soll auch ein „ Flussbad light“ geprüft werden, um die Realisierung preiswerter und realistischer zu machen.

Auswirkungen auf die Fertigstellung des Einheitsdenkmals haben die Diskussionen allerdings nicht. Milla rechnet im Frühjahr 2022 mit der Eröffnung des „Bürger in Bewegung“ genannten Denkmals.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de