Sehr geehrte Frau Giffey, sehr geehrte Frau Jarasch,
sehr geehrter Herr Dr. Lederer! (mit der Betitelung halte ich mich im Moment noch zurück)
Seit mehr als zwanzig Jahren verweilen Sie in unserer Stadt Berlin, dennoch scheinen Ihnen als zukünftige Entscheider*innen die umfangreichen Diskussionen um ein Flussbad im Spreekanal unbekannt. Wenn Sie als Koalitionäre im Vertrag, in Dez. 2021, von einem Flussbad im Spreekanal sprechen, für das Sie umliegende Anlagen verbessern wollen, dann bin ich fassungslos. Sie sollten wissen, dass ein Bad im Kanal noch gar nicht existiert und es ein solches aufgrund unzureichender Wasserqualität und zahlreicher anderer Hindernisse in absehbarer Zeit nicht geben kann!
Der bisher mit über fünf Mio.€ geförderte Verein Flussbad ist bei Anhörung im Abgeordnetenhaus Berlin, 18.02.2021 (Protokoll, S.52) sehr selbstkritisch zu der Einsicht gekommen, dass die bisher eingesetzten Filter und der Muschelreaktor die erforderliche Reinigungsleistung nicht erbringen können. Hatten Sie vor Fertigstellung des Koalitionsvertrags keine Kenntnis davon? Für Projektbegleitung erhält der Verein derzeit weitere 1,5 Mio. €. Welches Projekt ist gemeint?
Die Tageszeitungen sind derzeit voll von notwendiger Klärwerksnachrüstung in Schönerlinde. Selbst nach Reinigung, allerdings aller vorhandener Klärwerke, enthalten die Abwässer noch immer eine Palette an Medikamentenrückständen, Keimen, schwer abbaubaren Spurenstoffen, Nitraten, Phosphaten (Nährstoffe für Cyanobakterien) etc.
Die geklärten Abwässer aus Schönerlinde landen u.a. im Tegeler See und letztlich bei Bädern an der Havel. Die Presse berichtete, dass 17 Hunde durch das Wasser im See an Toxinen aus Cyanobakterien verendet sind, Fische Nierenschäden aufweisen.
In den Spreekanal fließen an zehn Stellen 30 - 50 mal pro Jahr ungeklärte Überläufe aus der Mischkanalisation und verkeimte, ungeklärte Regenwässer ein. Durch Wassermangel kann häufig keine Verdünnung stattfinden. Der Kanal fließt sommertags teilweise rückwärts oder ist ein stehendes Gewässer. Wie soll dann Filtrierung stattfinden? Wie werden ganze Teppiche von Blaualgen/Cyanobakterien beseitigt, die Schließung eines jeden Bades zur Folge hätten?
Die Stadt Berlin müsste erst Klärwerke nachrüsten, Stauräume errichten, diffuse Eintrittsquellen orten, die Innenstadt zu einer Schwammstadt umgestalten, damit innerstädtische Gewässer, wie der Spreekanal, überhaupt davon profitieren können. Für 2023 ist der Spreekanal als Veranstaltungsort für die Special Olympics angefragt worden. Können Sie das verantworten?
Die BWB suggerieren mit ihrer unzureichenden Wasserqualitätsbewertung eine „ausgezeichnete Qualität“. Nur weil sie nicht untersuchen, was wirklich enthalten ist, kommen sie zu einem solchen Fehlurteil. Das Kompetenzzentrum Wasser hat von Panke und Bäke Aussagen über enthaltene Viren, Bakterien, Coliphagen, antibiotikaresistente Keime usw. gemacht, warum nicht auch vom Spreekanal, der als Bad fungieren soll? Warum werden solche umfangreichen Wasseranalysen nicht vorgelegt? Bei diesen Millionen-Investitionen wäre ein so verspätetes Bild über die tatsächliche Wasserqualität allerdings peinlich! Sie als unsere jetzigen Koalitionäre wollen einen Neubeginn. Durch die Pandemie konditioniert, darf Gesagtes von der Politik revidiert werden. Ergreifen Sie die Chance!
Wenn diese Unkenntnis, hier über ein Kanalbad, auch Grundlage für andere Projekte in unserer „Zukunftshauptstadt“ sein wird, dann verbleiben wir in bisherigem Chaos. Durch den BER, die Wahl, die Bürgerämtern etc. ist uns dieser Zustand bestens bekannt. An Sie Entscheider*innen in Berlin: Streichen Sie im Vertrag die Vision eines Flussbades im Spreeanal und dokumentieren Sie damit die im Nachhinein gewonnene Erkenntnis über dieses Projekt. Mit meinem Schreiben möchte ich Sie, aber auch mich vor der nächsten Misere bewahren. Es sei denn, Sie wollen weiterhin mit negativen Schlagzeilen über Berlin in der Presse punkten.
Dr. rer.nat. Heide Ellerbrock
(Berlinerin! Angesicht dieser Tatsachen ist mir das gelegentlich unangenehm)